„Stellen Sie sich vor, Sie seien Ihr Hund, der gerade eine bestimmte Übung lernt. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, sich ganz in Ihren Hund hineinzuversetzen. Sie sind jetzt beim Training. Wie fühlt sich die Übung an, die Sie gerade machen? Was ist leicht, was ist schwer? Was tut Ihr Herrchen/Frauchen? Was würde Ihnen beim Lernen helfen? Welche Gefühle haben Sie?“ Elisabeth Beck

Die Unterschiede im Lernverhalten zwischen Mensch und Hund sind nicht so groß wie wir es vielleicht gerne hätten. Doch gibt es ein paar Dinge, die wir berücksichtigen müssen, um zu verstehen, wie unser Hund lernt. Zum Beispiel das Generalisieren. Generalisieren bedeutet verallgemeinern, also eine Lernerfahrung auf möglichst viele Situationen zu übertragen. Oder anders formuliert: dass Ihr Hund eine Anweisung unter allen Umständen ausführt.

 

Nur jetzt und hier – oder unter allen Umständen?

Im Zusammenhang mit unseren Hunden bedeutet Generalisieren, dass der Hund ein zuvor erlerntes Verhalten auf Ihr Signal hin ausführt, egal in welcher Umgebung Sie sich befinden und egal, was gerade rundherum vor sich geht.

 

Für uns Menschen ist es ganz normal und völlig einleuchtend, Erlerntes zu verallgemeinern. Lernen wir im Klassenzimmer französische Vokabeln, dann ist Ihnen und mir völlig klar, dass diese Vokabeln auch zu Hause, im Auto und auf der Parkbank genauso lauten. Eben unter allen Umständen. Unsere Hunde dagegen lernen im Kontext der gesamten Situation. Sie machen gewissermaßen ein Polaroid, ein Sofortbild, mit Geruch, Geschmack, Geräusch und allem, was an dieser Situation beteiligt ist. Über konsequente Wiederholung lernen die Hunde herauszufinden, was in jeder dieser Situationen vorkommt – zum Beispiel eine bestimmte Handbewegung oder ein bestimmtes Wort.

 

„Zuhause kann er das perfekt!“

Und da sind wir wieder mitten im Alltag einer Hundeschule: „Zuhause kann er das perfekt aber auf der Hundewiese tut er so, als hätte er keine Ahnung davon!“

Er hat wirklich keine Ahnung davon! Ihr Hund weiß tatsächlich nicht, dass „Hierher“ auf der Hundewiese dasselbe ist wie „Hierher“ im Vorgarten – außer er hat es wirklich gelernt, ihr Signal „Hierher“ zu generalisieren.

Natürlich ist es eine gescheite Idee, eine neue Übung ganz in Ruhe in der Küche aufzubauen, wo nichts und niemand Sie stört. Hat ihr Hund aber dann grundsätzlich begriffen, worum es geht, dann kommt die Verallgemeinerung. Und das bedeutet Kleinarbeit, die Sie möglichst gewissenhaft ausführen sollten.

Beim Generalisieren geht es nicht nur darum, die Übungen in unterschiedlicher Umgebung auszuführen, da gehört ein wenig mehr dazu:

Schritt für Schritt ins echte Leben

Beginnen wir mit der Umgebung. In welcher Umgebung befinden Sie sich und was passiert um Sie herum? Schließlich macht es einen großen Unterschied, ob Sie auf der Wiese, im Wald, in einem viel besuchten Park oder in der Innenstadt Ihr „Sitz“ abfragen.

„Die wirkliche Herausforderung im modernen Hundetraining ist das Umdenken: Der Schlüssel für jeden Trainingserfolg ist Verständnis dafür, wie es dem Tier in der Situation geht“ Sunny Benett

Wenn Sie draußen im echten Leben trainieren, dann sind Ablenkungen ohnehin nicht zu vermeiden. Für optimales Training sollten Sie allerdings berücksichtigen, was für Ablenkungen das sind (Lichteffekte, Geräusche, Fahrzeuge, Menschen, Hunde oder andere Tiere etc.) und in welcher Entfernung sie stattfinden.

Auch die Tageszeit sorgt für neue Aspekte. Morgens, mittags, abends oder gar nachts – nicht nur die unterschiedliche Beleuchtung sorgt für neue Herausforderungen.

Und auch Sie selbst sind ein Teil der möglichen Varianten. Stehen Sie, sitzen oder liegen sie? Bewegen Sie sich womöglich, schnell, langsam, ungewohnt? Ist Ihre Haltung, ihr Bewegungsmuster so wie immer oder doch anders als sonst? Als ich vor vielen Jahren das linke Bein in Gips hatte, war meine Berner Hündin völlig irritiert und konnte nicht mehr „bei Fuß“ gehen. Erst als sie den Gips und meine holprige Fortbewegungsart als zusätzliche Variante einordnen konnte, klappte es wieder.

 

Kleider machen Leute

Welche Kleidung tragen Sie? Eng anliegende Kleidung lässt ein Signal anders wirken wie flatternde Jacken und Schals. Kopfbedeckungen verändern Ihr Erscheinungsbild. Sommerwelpen kennen möglicherweise weder Hut noch Mütze an Ihrem Menschen. Sonnenbrillen oder Skibrillen können äußerst irritierend für Ihren Hund sein. Selbst Handschuhe machen einen großen Unterschied zum Beispiel beim Handtarget.

 

 

Es gibt eine ganze Reihe von Varianten, die Sie in Ihr Üben einbeziehen können. Je mehr Abwandlungen Ihr Hund im gesicherten Trainingssetting kennengelernt hat, umso zuverlässiger kann er im Ernstfall Ihre Anweisungen ausführen.

Und es ist durchaus Teil Ihrer Verantwortung, Ihrem Hund die notwendigen Trainingsschritte zu ermöglichen. Alles andere wäre unfair.

 

Kann er oder kann er nicht?

Uns dieser Tatsache bewusst zu sein, nämlich dass der Hund nicht automatisch generalisiert, sorgt auch für eine gerechtere Wahrnehmung. Nur allzu oft werden Hunde gerügt, weil sie etwas nicht oder mangelhaft ausführen. Dabei tun sie das in vielen Fällen, weil sie das erlernte Verhalten nicht in die aktuelle Situation übertragen können.

 

„Es ist immer der Mensch, der den Hund nicht versteht. Nie umgekehrt!“ Stefan Wittlin

Sie sehen, es macht schon einen Unterschied, sich über das Lernverhalten unserer Hunde zu informieren. Denn, was man versteht, was kann man meist auch leichter umsetzen. Und am Ende haben beide etwas davon, sie, weil sie eine gut erzogenen Hund an ihrer Seite haben und ihr Hund, weil er Zeit und Möglichkeit hatte, in Ruhe zu erlernen was sie von ihm erwarten.

Unter allen Umständen ist vielleicht ein großes Ziel, aber zumindest unter möglichst vielen. Das hängt durchaus auch von der Qualität Ihres Trainings ab.

 

Ich wünsche Ihnen viel fröhliches Wedeln in Ihrem Leben und freue mich über Kommentare und Anregungen.

Herzlichst
Eure und Ihre
Karin Immler

 

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