Von Angsthasen mit Maulkorb

und echten Gefahren

„Geh nicht hin, das ist ein böser Hund!“ oder „Der arme Hund, das ist ja Quälerei!“ Wenn Sie einen Hund mit Maulkorb führen, kennen Sie solche Aussagen. Weh tut, dass sie auch und vor allem von anderen Hundehaltern kommen. Dabei sind gerade vierbeinige Angsthasen mit Maulkorb oft besser dran. Ja wirklich, für viele Hunde ist das Tragen eines Maulkorbs eine gute Sache.

Es gibt viele Gründe, warum Hunde einen Maulkorb tragen (sollten).

Gesetze können verordnen, dass bestimmte Hunde einen Maulkorb tragen oder – wie z. B. in der Stadt Salzburg entweder einen Maulkorb tragen oder an der Leine bleiben müssen. In öffentlichen Verkehrsmitteln ist es Pflicht, – unabhängig von Rasse und Größe – einen Maulkorb zu verwenden.

Viele von uns verfolgen mit Entsetzen die sich häufenden Meldungen „Giftköder gefunden“ und „Hund durch vergiftete Köder gestorben“. Auch in diesem Zusammenhang kann das Tragen eines Maulkorbs eine sinnvolle Maßnahme sein. Es gibt Hunde, die im Winter Schnee fressen und davon Durchfall bekommen oder alles Essbare aufsaugen, dessen sie habhaft werden können. Es kann passieren, dass Ihr Hund verletzt wird und einen Maulkorb tragen muss, um verarztet werden zu können. Manche Hunde wachsen in einer Weise und unter Bedingungen auf, die es ihnen nicht ermöglichen, normale Kommunikation mit Hunden und/oder Menschen zu erlernen. Manche Hunde haben richtig schlechte Erfahrungen mit Hunden und/oder Menschen gemacht. Manche Hunde reagieren, wenn sie nervös oder überfordert sind, mit Aggression, weil das Leben sie gelehrt hat, dass sie damit ihre Probleme lösen können. Mit diesen Hunden Bindung und Vertrauen zu erarbeiten, lösungsorientiert zu trainieren und alternative Verhaltensweisen zu etablieren, ist eine Sache. Begleitend gilt es jedoch, Gefahr für sich selbst oder Dritte (ob Mensch oder Tier) zu vermeiden. Also sollte – speziell im Training mit ängstlichen Hunden – die Gewöhnung an den Maulkorb ganz oben auf der Liste stehen.

Maulkorbgewöhnung ist nicht schwierig

„Hunde beissen mich nie! Nur Menschen“ Marilyn Monroe

Ausgerüstet mit etwas Geduld und reichlich Leckerchen, ist es gar nicht schwierig, Ihren Hund daran zu gewöhnen, den Maulkorb zu tragen. Dass es für den Hund vielleicht, ohne Maulkorb bequemer wäre, mag sein. Aber ehrlich: würden Sie Ihr Kind ohne Helm auf die Schipiste schicken, weil es bequemer ist?! Auch aus der Welt der Erwachsenen gibt es einen passenden Vergleich: Manche von uns können sich noch gut an die Zeit erinnern, als es noch keine Sicherheitsgurte in unseren Autos gab. Als sie dann Pflicht wurden, war es erst ein wenig ungewohnt und inzwischen denken wir gar nicht mehr darüber nach und legen automatisch den Gurt an.

Dass der Maulkorb gut sitzen muss und den Hund nicht am Hecheln und am Trinken hindern darf, versteht sich von selbst. Inzwischen ziehen die Anbieter ein wenig nach und es gibt bereits Maulkörbe in vielerlei Ausführungen, von einfachen Kunststoffkörben, über Draht- und Lebermaulkörbe bis zu Maßanfertigungen z. B. aus Biotane. Welcher Maulkorb für Ihren Hund in Frage kommt, wird in erster Linie von der Kopfform und von Ihrem Geschmack – und auch ein wenig vom Geldbeutel – bestimmt. Zugegeben: ein bisschen mehr Mut zur Farbe seitens der Hersteller wäre zu begrüßen. Dort und da sieht man bereits originell aufgehübschte Modelle, die den eingangs zitierten Kommentaren durchaus entgegen wirken.

Mami, ich will den Hund streicheln!

Ist der Hund nun erfolgreich mit Maulkorb ausgerüstet, hat dies eine ganze Reihe von Auswirkungen, die besonders einem Angsthasen zugutekommen. So sind z. B. die allgegenwärtigen HundestreichlerInnen wesentlich zurückhaltender.

Kompakt+ Workshop Maulkorbtraining
Maulkorbtraining

Eltern von „Mami, ich will den Hund streicheln“-Kindern achten auf einmal sehr genau drauf, dass ihr Sprössling dem fremden Hund nicht zu nahe kommt. Die HalterInnen von „Tutnix“en entwickeln urplötzlich Verantwortungsbewusstsein und halten ihre Hunde davon ab, ungebremst in den Maulkorbträger hinein zu knallen. Der wiederum hat auch im innerstädtischen Bereich viel mehr Chancen auf Einhaltung seiner Individualdistanz, weil Menschen auf Abstand bleiben. Auch direkter Blickkontakt von Fremden, der ja oft bedrohlich wahrgenommen wird, ist mit Maulkorb eher selten.

Der Mensch

„Die mir eine Gabe reichen, umwedle ich, die mir nichts geben, belle ich an, und die Schurken beiße ich“ Diogenes von Sinope

Und vor allem: der Mensch, der den maulkorbtragenden Hund begleitet, kann deutlich entspannter sein. Aus der Erfahrung wissen wir das ohnehin: diese neu gewonnene Gemütsverfassung wirkt sich wohltuend auf den Vierbeiner aus. Die aktuellen Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Spiegelneuronen liefern die wissenschaftliche Basis für diese Beobachtung. Als Trainerin durfte ich schon etliche Male die erleichternde Wirkung des Maulkorbs auf verzweifelte HundehalterInnen miterleben, die nach Monaten und oft Jahren der Anspannung endlich wieder gelöst mit ihrem Hund spazieren gehen konnten und erst aus dieser Verfassung heraus überhaupt in der Lage waren, sinnvolle Trainingsmaßnahmen durchzuführen.

Noch braucht man mitunter ein dickes Fell, wenn man einen Hund mit Maulkorb führt, das weiß ich wohl, denn auch meine Hunde tragen Maulkorb (nicht immer, aber oft). Aber ich frage Sie: „Muss ich jede Bemerkung hören oder gar kommentieren?“ Es steht mir frei, in mich hinein zu lächeln, und mich zu freuen, welche Möglichkeiten und Freiheiten meinen Hunden daraus erwachsen, wie z. B. leinenloser Auslauf auf schönen Hundewegen in der Stadt Salzburg.

In diesem Sinne: Maulkorbtraining lohnt sich für Mensch und Hund!

Herzlich

Ihre

Karin Immler

(Dieser Text wurde ursprünglich für ein Hundemagazin geschrieben und ist dort 2015 erschienen. Das schöne Beitragsbild wurde mir freundlicherweise von Karin du Plooy zur Verfügung gestellt.)

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