Gerade habe ich für mein monatliches Radiomagazin „Hunderunde – Gespräche und Gedanken über Hunde und Menschen“ zwei Interviews aufgezeichnet. Es ging um „alberne Tricks“ und ernsthaftes Training. Meine Gesprächspartnerinnen Simone Gräber von Maud und Lolo  und Renate Ploder von der Trick-Boxx sind beide Routiniers in Sachen Tricks und betreiben dabei durchaus ernsthaftes Training .

Tricktraining ist salonfähig geworden, das war nicht immer so.

 

Das sind doch nur alberne Spielereien,

so hieß es früher, wenn der Hund im Kreis gehen konnte, auf Signal kriechen und rückwärtsgehen oder im spanischen Schritt daher stolzierte. Auffallend war, dass die Hunde diese Spielereien oft erstaunlich gut und ganz offensichtlich voller Freude ausführen konnten, während die sogenannte Unterordnung mehr recht als schlecht gezeigt wurde. Und überhaupt hatten Tricks in der Hundeschule nichts verloren, denn da wurde ja ernsthaft gearbeitet und nicht herumgealbert.

 

 

Glücklicherweise haben sich die Zeiten geändert und die meisten modernen Hundeschulen bieten Tricktraining sogar explizit an. Denn es geht dabei ganz und gar nicht um Albernheiten. Tricktraining ist eine wunderbare Möglichkeit, das Teamwork zu verbessern, also das Zusammenspiel von Mensch und Hund. Gemeinsam Tricks zu erarbeiten, schult den Blick des Menschen und die Kreativität des Hundes. Gerade Hunde, die ängstlich sind und unsicher, profitieren sehr davon. Tricks werden kleinschrittig erarbeitet – der Weg zum nächsten Etappenziel ist daher überschaubar und gut zu bewältigen.

„Man kann einem Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.“     Galileo Galilei

Der Hund wird zum aktiven Tun animiert, was sein Selbstbewusstsein ungemein fördert. Das Gefühl der Selbstermächtigung – ICH kann etwas tun – gehört zu den Grundbedürfnissen von Hund und Mensch.Fehlt dieses Bewusstsein, selbst gestalten zu können, kann das auf Dauer ein wesentlicher Stressfaktor sein. Beim Tricktraining darf der Hund ungeniert experimentieren ohne mit unangenehmen Konsequenzen rechnen zu müssen. Und weil es ja „nur“ um einen Trick geht, sind wir Menschen dabei viel entspannter als beim Erlernen von „wichtigen“ Übungen.

 

Dabei können Tricks im Alltag eine tolle Unterstützung sein. Kleine Übungen, mit wenig Aufwand aber mit vielen guten Gefühlen (Spaß beim Training, positive Verstärkung etc.) verbunden, gut geübt und daher leicht abrufbar, eignen sich gut als Alternativverhalten für knifflige Situationen.

 

Handtarget – ein Trick macht Karriere

Eine Übung, die noch vor ein paar Jahren bestenfalls als Spielerei abgetan wurde, gehört heute bei vielen KollegInnen ebenso wie bei mir zu den Grundlagenübungen. Das Handtarget ist eine der vielseitigsten Übungen überhaupt. Es ist so einfach zu erlernen und weder für den Hund noch für den Menschen ein großer Aufwand. Daher kann es auch ganz schnell und einfach abgefragt werden, sogar in Situationen, die für „Platz“ und dergleichen viel zu aufregend sind.

Hier geht es zum Videotutorial „Handtarget“.

 

An der Hand durchs Einkaufszentrum

Ich erinnere mich an einen Trainingsausflug in ein kleines Einkaufszentrum. Die Aufgabenstellung war, mit dem Hund von A nach B zu gehen, wobei dieser trotz all der Aufregungen seine Aufmerksamkeit immer wieder auf seinen Menschen richten sollte. Die Menschen waren aufgefordert, freiwillige Aufmerksamkeit reichlich zu belohnen und gelegentlich mit sorgsam eingesetzten Signalen die Aufmerksamkeit des Hundes abzurufen.

„Wir behalten von unseren Studien am Ende doch nur das, was wir praktisch anwenden.“ Johann Wolfgang von Goethe

Eines der Teams bestand aus der Mutter, dem 13jährigen Sohn und dem halbwüchsigen Retrievermädel der Familie. Der Sohn wollte gerne diese Aufgabe übernehmen und war zugleich unsicher, wie das gehen könnte. Wir beratschlagten gemeinsam, welche Übung die beiden zusammen am sichersten ausführen konnten: das Handtarget. Und so spazierten die beiden in aller Seelenruhe (nein, anfangs schon recht aufgeregt) durch dieses Einkaufszentrum. Die junge Hundedame durfte sich umsehen und all die Aufregungen wahrnehmen, die es da rundherum gab. Die gelegentliche Aufforderung zum „Stups“ durch den jungen Hundeführer sorgte dafür, dass der Kontakt nicht abreißen und der Hund sich nicht in all den Aufregungen verlieren konnte. Bravourös gemeistert!

 

Ja, aber mein Hund ist aus dem Tierschutz

Viele Hunde aus dem Tierschutz kennen kein strukturiertes Training und sehen auch gar keine Veranlassung sehen, mit dem Menschen zu kooperieren. Mit einfachen Tricks, die über großzügige positive Verstärkung erlernt werden, lassen sie sich leichter „ins Boot holen“. Denn dabei gewinnen sie Freude am gemeinsamen Tun, ihr Selbstbewusstsein wächst und ebenso ihr Vertrauen – in den menschlichen Teampartner und in ihre eigenen Fähigkeiten. Das ist das Fundament, auf dem gutes Training entstehen kann.

 

Tricks als Basis

Tricktraining ist ideales Basistraining: es fördert Kreativität und Aktivität des Tieres, stärkt die Kooperations-und Lernbereitschaft und sorgt dafür, dass Lernen als lustvolle und erstrebenswerte Tätigkeit wahrgenommen wird, die man gerne ausübt.

„Jeder Hund zeigt erwünschtes Verhalten – auch wenn es nur für den Bruchteil einer Sekunde ist. Es liegt an uns, dieses Verhalten einzufangen, zu verlängern und auszubauen.“  Ulrike Seumel

Gerade auch wenn problematisches Verhalten im Spiel ist, ist Tricktraining hilfreich und ganz und gar nicht albern. Auch hier spielen mehrere Komponenten eine Rolle: kleine Übungen, wenig Aufwand, hohe Belohnungsraten, gute Gefühle – alles das hilft mit, schwierige Situationen gut zu bewältigen und ein – in menschlichen Augen unangebrachtes – Verhalten durch ein anderes Verhalten zu ersetzen, das uns passender erscheint. Sich hinzulegen, wenn auf der anderen Straßenseite der Erzfeind auftaucht, ist sehr schwierig. „Mal eben“ an die Hand zu stupsen, kann dagegen durchaus machbar sein. Und für einen kleinen, kostbaren Moment ist die Aufmerksamkeit Ihres Hundes bei Ihnen – und nicht beim Erzfeind.

Körperbeherrschung und bewusstes Bewegen sind weitere Effekte, die sich durch Tricktraining erzielen lassen. Ihr Hund wird sich der Möglichkeiten bewusst, die sein Körper bietet – das tut nicht nur Hunden gut, die im Wachstum sind (und manchmal mit ihren langen Beinen überfordert sind), sondern auch allen anderen.

 

Training für Tierarzt und Schönheitskonkurrenz

Kooperationsübungen, die den Tierarztbesuch erleichtern oder im Ausstellungsring dafür sorgen, dass Sie und Ihr Hund eine gute Figur machen, lassen sich wunderbar als Tricks erlernen. Kinnauflegen, bestimmte Positionen einnehmen, Pfote präsentieren usw.

Die Unterscheidung zwischen Tricks und „ernsthaften“ Übungen ist übrigens nicht festgeschrieben. Wenn Ihr Hund „Sitz“ als Trick erlernt, wird er sehr viel Freude daran haben  – und Sie ebenfalls. Und die Abrufbarkeit im Alltag wird darunter ganz bestimmt nicht leiden. Im Gegenteil: je öfter Ihr Hund diesen Trick „Sitz“ ausführt, dabei Spaß, Befriedigung und Zuspruch erlebt, umso lieber wird er es tun. Auch die sogenannte Fußarbeit lässt sich als Trick aufbauen, ebenso Ablegen, Vorsitz, Kehrtwendung, Apportieren – warum denn auch nicht?!

 

„Wer spielt, der lernt! Wer lernt, der lebt! Wer lebt, der spielt!“ Jörg Roggensack

Lernen als Spiel

Denken Sie an das spielerische Lernen von Kindern und Welpen. Lustvolles Tun steht da im Vordergrund und ermöglicht wichtige Lernerfahrungen. Vergessen wir nicht: was wir uns durch eigenes Tun aneignen und mit angenehmen Gefühlen verbinden, das führen wir auch gerne und gut aus. Was uns interessiert, Befriedigung verschafft und  womöglich auch noch positive Reaktionen in unserer Umwelt hervorruft, das machen wir gerne, oft und mit großer Freude.

Warum sollte das für unsere Hunde anders sein.

 

Ich wünsche Ihnen viel fröhliches Wedeln in Ihrem Leben und freue mich über Kommentare und Anregungen.

Herzlichst
Eure und Ihre

Karin Immler

 

 

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