Freundlichkeit tut gut! Kennen Sie das: Ihr Tag war nicht so besonders und Sie fühlen sich dementsprechend mies. Eine wildfremde Person lächelt Sie an und hält Ihnen mit einem freundlichen „guten Abend“ die Tür auf. Wie fühlt sich das an? Lächeln Sie zurück? Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit tun Sie das, denn Freundlichkeit ist ansteckend.

Freundlichkeit tut gut. Ein freundliches Lächeln, ein netter Gruß, ein liebes Wort und schon schaut die Welt ganz anders aus – einfach netter, heller, sicherer!

„Wohltun und nicht freundlich sein reicht ein Brot und macht’s zum Stein“ Deutsches Sprichwort

„Freundlichkeit ist warm, belastbar, geduldig, vertrauensvoll, loyal und dankbar. Piero Ferrucci sieht Freundlichkeit als etwas an, bei dem es darum geht, „weniger Mühe zu machen“. Sie befreit uns davon, uns in negativen Ansichten und Gefühlen zu verstricken, wie etwa Missgunst, Eifersucht, Argwohn und Manipulation. Letztendlich ist Freundlichkeit tiefe Fürsorge für alle Lebewesen.“ (Piero Ferrucci, The power of kindness, 2007)

 

„Für alle Lebewesen“

Freundlichkeit ist beileibe nicht auf den Umgang mit Ihren Mitmenschen begrenzt. Auch Ihr Hund schätzt Ihre Freundlichkeit und die wohltuenden Effekte, die sich daraus ergeben. Freundlichkeit erleichtert Ihnen beiden nicht nur den Alltag, sondern auch das Training. Sie hat außerdem ganz wunderbare Nebenwirkungen – für Zweibeiner wie für Vierbeiner.

 

Blogparade „FAIR statt fies“

In diesem Text, der am Beginn der Blogparade „FAIR statt fies“ steht, möchte ich Ihren Blick auf einige dieser äußerst wünschenswerten Nebenwirkungen lenken. Die Blogparade startet mit diesem heutigen Artikel. Daran anschließend erscheinen bis zum 13. November reihum weitere Texte der deutschsprachigen HundebloggerInnen, die für fairen und gewaltfreien Umgang mit Hunden eintreten. Die Links zu den Artikeln finden Sie nach deren Erscheinen jeweils hier im Blog und unter den einzelnen Artikeln.

 

Freundlichkeit tut gut

Auf die Idee, mich den Nebenwirkungen der Freundlichkeit zu widmen, kam ich durch einen Artikel, der vor geraumer Zeit bei Canis Pacalis erschienen ist. In „Strafe und ihre Auswirkung auf den Strafenden“ beantwortet Andreas Baier die Frage, wie es sich auf den Menschen auswirkt, der Strafe anwendet. Genau wie Strafen sich in der Wirkung nicht auf die eigentliche Strafe und den unmittelbaren Moment der Ausübung beschränkt, wirkt auch die Freundlichkeit weit über den Moment hinaus.

Doch was ist überhaupt Freundlichkeit? So einfach ist sie gar nicht zu definieren. Das Wort „Freundlichkeit“ leitet sich lt. Wikipedia aus dem mittelhochdeutschen „vriuntlich“ = „herzlich-wohlwollendes Verhalten“ und spätmittelhochdeutsch „vriuntlīcheit“ = „Anfreunden, Freundschaft schließen“ her. Herzlich wohlwollendes Verhalten, das ist eine Definition, die mir gut gefällt. Sowohl das „herzlich“, als auch das „wohlwollend“, das sogar besonders. Aber auch Höflichkeit, Rücksichtnahme und Respekt – und ein Geneigtsein dem anderen gegenüber – gehören dazu.

Freundlichkeit im Training

Die Trainingszeit mit Ihrem Hund ist Teil Ihrer Lebenszeit. Ich für meinen Teil, verbringe meine Lebenszeit gerne in angenehmer Atmosphäre und mit angenehmen Gefühlen. Natürlich lässt sich das nicht immer beeinflussen, aber beim Training sind Sie sozusagen „Master oft the Universe“ und können alles so vorbereiten und arrangieren, dass die Trainingseinheit gleichzeitig eine Freundlichkeitseinheit wird. Beim Training haben Sie die Gestaltungshoheit. Sie entwerfen das Trainingssetting und bestimmen die Vorgangsweise. Sie legen das Thema und die Trainingsschritte fest, wählen die Belohnungen und entscheiden, wie großzügig Sie damit sind.

 

Wer nun meint, Freundlichkeit (beim Training) sei Luxus für Weicheier und WattebauschwerferInnen, dem sei ins Stammbuch geschrieben: Freundlichkeit ist Gesundheitsvorsorge und Psychohygiene vom Feinsten.

 

Zur Radiosendung „FAIR statt fies – Aufklärung tut not“

Freundlichkeit ist gesund

Wenn Sie freundlich denken oder handeln, setzen Sie die Ausschüttung des Neurotransmitters Serotonin in Gang. Und der verhilft Ihnen zu einer positiven Grundstimmung. Sie fühlen sich gut, Ihr Selbstbild verbessert sich und Sie betrachten die Welt – und Ihren Hund – gleich ein bisschen optimistischer. Das alles begünstigt den Ausstoß des Bindungshormons Oxytocin und davon profitiert wiederum die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Hund.

„Freundlichkeit in Worten schafft Vertrauen. Freundlichkeit im Denken schafft Tiefe. Freundlichkeit im Geben schafft Liebe“ Laotse

Aufrichtige Freundlichkeit ist gut für die Nerven und beugt damit einem nervösen Magen vor und sie macht weniger anfällig für Herzerkrankungen. Freundliche Menschen ärgern sich seltener und grübeln nicht so viel. Außerdem tun sie sich im Umgang mit ihren Mitmenschen leichter, man fühlt sich in ihrer Gegenwart wohl. Ein stabiles soziales Netz stärkt das persönliche Glücksgefühl und tut gut. Freundlichkeit lässt den Cortisolgehalt im Blut deutlich absinken und sorgt so für Entspannung.

 

Sogar Ihr Schlaf profitiert davon, wenn Sie freundlich sind. Wer freundlich ist, schläft angeblich besser und tiefer. Das wiederum kommt Ihrer Gesundheit ganz allgemein zugute und lässt Sie am nächsten Tag frisch und munter sein.

 

Es gibt Studien, die behaupten, dass Menschen zufriedener sind, die viel lächeln. Wer freundlich ist, lächelt gerne und viel, soviel ist sicher. Wer freundlich ist, macht auch gerne Komplimente und interessiert sich für sein Gegenüber, ist ihm zugeneigt.

Klingt das nicht richtig gut?

Falls Sie sich jetzt fragen, was diese ganze Freundlichkeit mit Ihrem Hundetraining zu tun hat, dazu kommen wir gleich. Denn auch in diesem Zusammenhang ist Freundlichkeit nicht zu unterschätzen.

Wie gesagt, Freundlichkeit hat eine bindungsfördernde Wirkung, stärkt das Interesse am Gegenüber und sorgt für die optimistische Grundhaltung. Optimale Voraussetzungen für Ihr Training!

Freundlich lächeln

Freundlichkeit lässt Sie lächeln. Wenn Sie lächeln, schickt die Muskulatur eine Botschaft an Ihr Gehirn, die in etwa lautet: „Hey, wir sind gut drauf!“ Ihr Gehirn setzt dann die passende Mixtur an Hormonen, Botenstoffen und allem, was dazu gehört, in Umlauf, die die frohe Botschaft in Ihrem Körper verteilt und auch Ihren Hund informiert, dass Sie guter Laune sind.

 

Ihr Körper spricht

Ihre gute Laune drückt sich auch in Ihrer Haltung aus. Freundlichkeit sorgt für eine offene einladende Körpersprache. Ihr Hund als begnadeter Körpersprachler nimmt feinste Varianten Ihrer Haltung, Gestik und Mimik wahr und umso lieber, wenn Sie freundlich sind. Mit Ihrer Körpersprache können Sie Ihrem Hund ein bestimmtes Verhalten erleichtern oder schwieriger machen – je nachdem.

 

Anerkennung und Wertschätzung

„Freundlichkeit ist eine Haltung, sie ist lernbar“ Christian Semler

Freundlichkeit macht offen für Qualitäten und Leistungen anderer. In freundlicher Stimmung sind Sie besser in der Lage, Potentiale zu erkennen und – auch kleine – Erfolge wahrzunehmen. Es fällt Ihnen leichter, auch unauffällige Leistungen Ihres Hundes zu sehen – und sich darüber zu freuen. Überhaupt ist Ihr Hund, wenn Sie freundlich aufgelegt sind, „ein charmanter Lauser“. Sind Sie schlechter Laune, ist er womöglich „das schlimme Viech, das eh nur Probleme macht“.

 

Verständnis

Freundlichkeit stärkt Ihr Verständnis dafür, dass Ihr Hund vielleicht noch nicht so weit ist, das gewünschte Verhalten zu zeigen. Oder dafür, dass er mehr Hilfestellung, eine andere Trainingsgestaltung oder einfach noch mehr Zeit zum Üben braucht. Sie erleichtert auch die Einsicht, dass es für einen Hund heutzutage gar nicht so einfach ist, menschlichen Ansprüchen zu genügen.

 

Anerkennung

Wer freundlich ist, dem fällt nicht schwer, anderen Erfolge zuzugestehen – auch dem Hund. Je mehr Sie bereit sind, Ihr Augenmerk auf die Erfolge und Leistungen zu legen, umso mehr davon werden Sie auch bemerken. Und Sie werden feststellen, dass Sie einen ganz tollen Hund haben, der unwahrscheinlich viel kann und das meiste richtig macht.

 

Konstruktive Kritik

Freundlichkeit ist nicht zu verwechseln mit „Liebe und Grießschmarren“. Freundlich zu Ihrem Hund zu sein, bedeutet nicht, dass es keine Regeln gibt. Aber sie verhilft Ihnen dazu, Kritik und die notwendigen Korrekturen konstruktiv vor- und anzubringen. Natürlich müssen Sie gelegentlich verhindern, dass Ihr Hund Blödsinn macht und sein Verhalten in annehmbare Bahnen lenken. Mit Freundlichkeit lassen sich auch diese unangenehmen Situationen gut bewältigen, ohne in ein Drama auszuarten.

Freundlich sein ist kinderleicht

„Wenn wir irgend etwas unterschätzen in unserem Leben – dann ist es die Wirkung der Freundlichkeit“ Marc Aurel

Immer den Chef raushängen zu lassen, kann ganz schön anstrengend sein. Am Hund herum zurucken, ihn anzuschreien oder womöglich auf den Rücken zu werfen, ist auf gut österreichisch ein rechter Tschach (eine ziemliche Anstrengung) und je nach Gewichtsklasse Ihres Hundes körperlich ziemlich herausfordernd. Freundliches Training ist dagegen entspannt und nicht einmal halb so anstrengend. Sie müssen nicht herumschreien, nirgendwo herumrupfen und erst recht nicht Ihren Hund von den Füßen reißen. Sie dürfen ein freundliches (entspanntes) Gesicht machen, lächeln, mit leiser Stimme sprechen, nett zu Ihrem Hund sein, reichlich belohnen und ihm eine Freude machen – und kommen trotzdem (oder erst recht) zum Erfolg.

 

Wie gefällt Ihnen das?

 

Im Rahmen unserer Blogparade „FAIR statt fies“ werden Sie noch allerhand über freundliches Training lesen, aus unterschiedlichsten Perspektiven von vielen engagierten Hundemenschen und Fachpersonen. Sie werden lesen, dass freundliches Training nicht nur bei kleinen herzigen Sofarutschern funktioniert, sondern genauso auch bei großen „triebigen“ Hunden oder solchen mit problematischem Verhalten. Sie werden lesen, dass freundliches Training bei der Integration von Tierheimhunden die beste Wahl ist und warum gute Gefühle (bei Hund und Mensch) nie verkehrt sind. Wenn Ihnen gefällt, was Sie lesen, dann freuen wir uns, wenn Sie die Blogparade und die Artikel teilen, damit wir möglichst viele Hundemenschen mit unserer Botschaft erreichen.

 

Im Rahmen der Europatour eines amerikanischen Entertainers läuft auch in diesem Jahr die Aktion „Tausche Ticket gegen Training“ der Initiative gewaltfreies Hundetraining.

 

Eintrittskarten zu den Shows – auch gebrauchte – können bei den teilnehmenden TrainerInnen gegen eine Unterrichtseinheit eingetauscht werden, um auf diese Weise auch modernes, tierschutzkonformes und freundliches Training kennenzulernen.

 

In diesem Sinne – bleiben Sie freundlich 🙂

 

Eure und Ihre

Karin Immler

 

 

Blogparade „FAIR statt fies“, alle Artikel

 

 

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Links dazu:
https://www.scientificamerican.com/article/kindness-contagion/
Talya Steinberg, Psy.D for Psychology Today
Integrative Psychological and Behavioral Science, 1998
https://salvere.swiss/4858-2/