So ein schlimmer Hund –

oder doch ein braver?

Im Blog des fantastischen Bud geht es gerade um „schlimme Hunde“ und was sie so alles anstellen – wobei Bud nicht wirklich so ein schlimmer Hund ist . Ich nehme das zum Anlass, meine Gedanken ebenfalls niederzuschreiben – darüber, was einen Hund zum schlimmen Hund macht, ob schlimm ein objektives Kriterium ist und was so alles dahinter stecken kann, wenn ein Hund schlimm ist.

 

Ich bin ja nun schon eine ganze Weile im Trainingsbusiness unterwegs und immer mehr fällt mir auf, dass die Kategorien „braver Hund“ und „schlimmer Hund“ für mich gar keine Bedeutung mehr haben. Dennoch werde ich mit diesen Etiketten konfrontiert, wenn KundInnen mit von ihren Hunden erzählen und so Ähnliches sagen wie  „Dann ist er richtig schlimm!“ oder „Im allgemeinen ist er brav!“.

So ein braver Hund

„Unser Leben spielt sich innerhalb eines Korridors ab, der durch innere und äußere Gegebenheiten, vor allem aber durch biologische und soziale Bedingungen begrenzt ist“ Joachim Bauer

Was ist denn nun ein braver Hund? Welche Bilder haben Menschen im Kopf, die von einem braven Hund sprechen? Ist das ein Hund, der nie etwas kaputt macht (soll es geben) oder der auf Anhieb stubenrein wurde (ein biologisches Wundertier!)? Ist das ein Hund, der nur tut, was ihm gesagt wird (und sonst nichts? Was für ein armes Tier!) Ein Hund, der nie bellt – oder ein Hund, der zuverlässig bellt, wenn jemand sich „verdächtig“ dem Haus nähert. Ist ein Hund brav, der sich von den Kindern alles gefallen lässt oder einer, der deutlich signalisiert, dass er jetzt dringend eine Pause braucht.

Ist ein Hund brav, der 100 mal das Bällchen wieder bringt oder der, der es ignoriert, wenn der Ball vom Kinderspielplatz versehentlich vor seine Füße fällt.

Manche Hunde, die mir als schlimm geschildert werden, sind in Wahrheit einfach nur ganz „arme Hunde“, weil sie Angst haben und sich in ihrer Angst nicht so verhalten können, wie ihre Menschen sich das vorstellen.

 

Andere, die von ihren Menschen als schlimm bezeichnet werden, haben schlicht und ergreifend das erwünschte Verhalten noch nicht gelernt, sprich niemand hat ihnen erklärt, wie sie sich eigentlich verhalten sollen. Wir setzen so vieles voraus! Wir erwarten, der Hund müsse wissen, dass es normal=brav ist, an lockerer Leine zu gehen und schlimm, daran zu ziehen.

 

Nein, pfui und aus!

Es ist eine weitverbreitete Untugend, dem Hund sofort zu sagen, wenn uns etwas nicht passt („nein“, „pfui“, „aus“,„lass das“) und Wohlverhalten kommentarlos hinzunehmen. Einer der Nachteile an dieser „Methode“ ist, dass der Hund auf diese Weise keine Information bekommt, wie das erwünschte Verhalten aussieht, was er richtigerweise hätte tun sollen.

 

5 Argumente gegen Nein! Pfui! und Aus!

 

Erinnern Sie sich an das Spiel „kalt…kalt….wärmer…heiß!“ Stellen Sie sich vor, das „wärmer“ würde ausbleiben und Sie bekämen immer nur „kalt“ zu hören. Das Spiel wäre schnell unlustig – immer „nein“ macht keinen Spaß. Sie würden wohl auch schwer zum Ziel kommen, denn auf diese Weise – ganz ohne Hilfe – müssten Sie ganz schön lange herum suchen. Außerdem würden Sie ohnehin nicht lange mitspielen  – eben weil es so gar keinen Spaß macht und Ihre Motivation von einem „kalt“ zum nächsten weiter schwindet.

Dazu kommt, dass, wie gesagt, sehr unterschiedlich darüber befunden wird, ob Verhalten brav oder schlimm ist.

 

Perspektivenwechsel

Nehmen wir zum Beispiel einen Hund, der beflissen bellt, wenn er wahrnimmt, dass sich jemand der Türe nähert. Lebt dieser Hund in einem Wohnblock, ist das vermutlich der Kategorie schlimm zugeordnet und gilt als schlechtes Benehmen. Lebt der Hund dagegen in einem Häuschen in Einzellage am Waldrand, dann ist er vermutlich brav, wenn er seine Menschen lautstark darauf hinweist, dass da jemand kommt. Abhängig von den Lebensumständen und dem Blickwinkel kann ein und dasselbe Verhalten passend/erwünscht und daher brav oder unpassend/unerwünscht und daher schlimm sein.

 

 

Außerdem steckt hinter dem Schlimmsein in vielen Fällen schlichtweg fehlende Generalisierung. Hunde lernen bekanntlich im Kontext der Gesamtsituation. Gutes Training beinhaltet ein schrittweise Steigerung von Anforderungen und Ablenkungen, sodass der Hund das erlernte Verhalten in unterschiedlichen Situationen zeigen kann. Unsere Erwartungen sehen oft anders aus. Kaum, dass der Hund das gelernte Verhalten halbwegs zuhause oder auf dem Hundeplatz beherrscht, soll er es übergangslos auch mit viel Ablenkung und in großer Aufregung zeigen. Das geht wirklich nicht von heute auf morgen.

 

„Schlimme“ Genetik

„Der Hund ist immer wieder bereit, dem Menschen seine ganzen Fehler zu ­verzeihen. Ich würde heute ohne Weiteres sagen: dass er den Menschen so liebt“ Dr. Dorit Feddersen-Petersen

Vieles, das wir als schlimm bezeichnen, ist zudem das Ergebnis bewusster Zuchtselektion über viele Generationen hindurch. Ein spurlauter Jagdgebrauchshund zeigt im jagdlichen Einsatz gewünschtes Verhalten, wenn er bellt, sobald er die Fährte in der Nase hat. Der Beagle im Stadtpark, der dasselbe tut, wird gerügt und für schlimm befunden. Dabei tut er nichts anderes als das, was ihm züchterisch in die Wiege gelegt wurde. Ein jagdlich geführter Bauhund gräbt und buddelt als Teil seines Jobs. Der Vorstadtterrier, der dieses Verhalten im Tulpenbeet auslebt, ist wiederum schlimm.

Der Goldie, der keine Pfütze auslässt und selbst wenn er abgerufen wird, noch schnell einmal plantschen muss….. der Appenzeller, der jeden misstrauisch verbellt, der sich seinem Gartentor nähert…..,…

 

Wir nennen oft schlimm, was aus Hundesicht ganz normales Benehmen ist, weil es nicht in unsere Welt, in unser Lebensumfeld passt. Zuchtauslese und Evolution haben für ein Verhaltensrepertoire gesorgt, dass einem ganz bestimmten Umfeld und ganz bestimmten Herausforderungen dienlich ist. Wir wählen uns unsere Hundegefährten heute meist nach optischen Kriterien und vergessen dabei völlig, wofür die Rasse, die uns so sehr gefällt, eigentlich gezüchtet wurde. Dabei sollten wir uns gut überleben, ob nicht so manche Eigenschaft, die für diese Rasse wichtig und typisch ist, so manches Verhalten, das sich aus dem ursprünglichen Zweck der Rasse entwickelt hat, in unserem Alltag unangebracht, ja schlimm sein könnte.

 

Denn nicht das Verhalten an sich, ist schlimm, wie wir ja bereits weiter oben gesehen haben. Vielmehr sind es die Umgebung und die jeweilige Situation, die aus einem ganz normalen Verhalten ein unangemessenes – ein schlimmes – Verhalten machen.

 

Der schlimme Hund hat keinen Respekt?

Die Gefahr an der Kategorisierung „schlimm“ sehe ich hauptsächlich darin, dass so eine moralische Komponente mitschwingt. „Schlimm“ unterstellt meiner Meinung nach, dass ein Verhalten in dem Wissen gezeigt wird, dass es falsch/unerwünscht ist.  Sprich: der Hund weiß – so die Annahme – wie er sich richtig verhalten soll, er tut es aber nicht – und das auch noch in böser Absicht! Und von da ist es dann nicht mehr weit zu „Du musst ihm zeigen, wer der Herr ist“ und ähnlichen Ansätzen, die dann als Rechtfertigung für allerlei abstruse Methoden herhalten müssen.

 

„Reden über Probleme lässt die Probleme wachsen. Reden über Lösungen lässt die Lösungen wachsen“ Steve de Shazer

Wenn Ihr Hund dort oder da schlimm ist, dann sollten Sie lieber überlegen, was hinter seinem Benehmen steckt. Hat er einfach noch nicht gelernt, was Sache ist oder hat er es zwar gelernt, aber noch nicht gut genug in unterschiedlichen Situationen geübt? Nun, das lässt sich mit Training beheben.

Sind Angst oder Sorge im Spiel, dann helfen Sie Ihrem Hund seine Angst zu überwinden, achtsam, Schritt für Schritt und im individuellen Tempo Ihres Hundes. Geht es um mangelnde Umweltgewöhnung, dann entwerfen Sie einen vernünftigen Trainingsplan, damit Ihr Hund den Umgang mit Umweltreizen lernen bzw. sich daran gewöhnen kann. Stress und Nervosität kommen als Auslöser für Schlimmsein ebenso in Frage wie Schmerzen und/oder Krankheit, sodass gegebenenfalls auch eine tierärztliche Abklärung zum Trainings-Kit gehört.

 

Arbeitsauftrag an den Teamcoach

Was auch immer hinter dem schlimmen Benehmen steht, böse Absicht seitens Ihres Hundes ist es auf keinen Fall. Ihr Hund tut Ihnen nichts zu Fleiß! Nehmen Sie es als Arbeitsauftrag, machen Sie einen Trainingsplan und legen Sie los!

 

„Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen“ Max Frisch

Als HundehalterIn sind Sie zugleich auch Coach und TrainerIn Ihres Hundes und wie jeder andere gute Coach auch, sollten Sie die Potentiale Ihres Schützlings sehen und stärken und außerdem für die optimalen Rahmenbedingungen sorgen. Und bis Sie – und Ihr Hund – soweit sind, entschärfen Sie die Situation durch kluges  Management. Auch das ist Teil unserer Verantwortung unseren Hunden gegenüber.

 

Bevor Sie sich also das nächste Mal darüber beklagen, dass ein Hund (Ihr Hund?) schlimm ist, denken Sie einen kurzen Moment darüber nach, was in Wahrheit hinter dem Verhalten steckt, über das Sie sich gerade so ärgern. Vielleicht ist es ja nur eine Frage des Blickwinkels!

 

Ich wünsche Ihnen viel fröhliches Wedeln in Ihrem Leben!

Herzlichst
Eure und Ihre
Karin Immler

 

 

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