Bei einem GesprĂ€ch unter Hundeleuten ging es um die Schwierigkeiten, einen passenden Hundesitter zu finden und zu bezahlen. Mitten in unsere Überlegungen hinein stellte jemand die Frage, warum denn offenbar nur Frauen mit Hund diese und Ă€hnliche Probleme haben. Die Frage machte mich tatsĂ€chlich nachdenklich, denn sie passt auch zu meinen eigenen Beobachtungen:

 

Hundeerziehung ist weiblich

Ja, es ist tatsÀchlich so, die Hundeszene ist weiblich geworden.

Wenn ich zurĂŒck denke an die Neunzigerjahre – da bot sich noch ein völlig anderes Bild. Damals hieß die Hundeschule Hundesportverein und so ein Hundesportverein war ein typischer MĂ€nnerspielplatz. Es ging dort laut zu, man marschierte stramm und in genau vorgegebenen Abfolgen. Und die Hunde mussten funktionieren! Ob es ihnen dabei gut ging, darĂŒber machte man sich keine großen Gedanken. Gelegentlich war auch eine Frau unter den Kursleitern anzutreffen, das war aber eher die Ausnahme. Zwar waren die Hunde im Alltag meistens in der Obhut von Ehefrau oder Mutter, Erziehung (damals „Abrichten“ genannt) und Hundesport war aber den MĂ€nnern vorbehalten, zumindest weitgehend.

 

„Ich habe drei Haustiere, die dieselbe Funktion erfĂŒllen wie ein Ehemann: einen Hund, der jeden Morgen knurrt, einen Papagei, der den ganzen Nachmittag lang flucht, und eine Katze, die nachts spĂ€t nach Hause kommt“ Marie Corelli

Ich weiß nicht, was der Auslöser war, aber plötzlich begann sich das zu Ă€ndern. Immer mehr Frauen besuchten die sogenannten Abrichtekurse und die weiblichen Kursleiterinnen wurden mehr und mehr und Schritt fĂŒr Schritt wurde aus dem Abrichten der Hunde tatsĂ€chlich Erziehung. Das Wissen ĂŒber Hunde wuchs und zugleich verĂ€nderte sich der Zugang unseren GefĂ€hrten. FĂŒr die HundefĂŒhrenden wurden plötzlich Softskills wichtig, Empathie, BeziehungsfĂ€higkeit und die Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen.

 

Gleichzeitig Ànderten sich die Methoden, es wurde nicht mehr so viel marschiert und geschrien auf den HundeplÀtzen und Albernheiten wie Agility und Docdancing fanden auch bei uns rasch eine wachsende AnhÀngerschaft, vielfach eine weibliche.

 

Auch Erwartungen gehen mit der Zeit

Auch unsere Erwartungen an die Hunde haben sich völlig verĂ€ndert. So war es frĂŒher der Gebrauchshund, der das Bild dominierte. Gebrauchshund im Sinne von Schutzhund, Wachhund, Jagdhund und dergleichen. Dementsprechend waren auch bestimmte Rassen besonders beliebt. Und: die Hunde blieben zu Hause, viele lebten im Flur, im Garten oder im Zwinger und hatten teilweise recht wenig Familienanschluss. Mitgenommen wurden sie zur Jagd aber kaum zu privaten Unternehmungen. Heute sind unsere Hunde in erster Linie Familienhunde, deren Hauptzweck darin besteht, uns Freude zu machen und unser Leben zu bereichern.

 

Wir möchten die Hunde um uns haben, am liebsten den ganzen Tag lang und ĂŒberall. Egal ob zur Arbeit, zum Sport, zum Shopping oder ins Kaffeehaus, wir nehmen unsere Hunde gerne mit. Die Vorlieben, GrĂ¶ĂŸe und Rasse betreffend, haben sich mit verĂ€ndert. Viele kleine Hunde sieht man heute, Hunde, die sich gut zum Mitnehmen eignen. Und natĂŒrlich die Hunderassen, denen man besondere Talente fĂŒr die modernen Hundesportarten wie Agility etc. unterstellt.

 

Frauen und BĂŒcher

Vielfach wird ja behauptet, dass Frauen wesentlich mehr lesen als MĂ€nner. Soweit es die Hundeszene betrifft, entspricht das auch meiner Wahrnehmung. Doch nicht nur, dass die Frauen mehr HundebĂŒcher lesen, es gibt inzwischen auch viele Frauen, die HundebĂŒcher schreiben. Die Liste der wunderbaren Autorinnen von BĂŒchern ĂŒber Hundeerziehung ist inzwischen ziemlich lang und erfreulicherweise enthĂ€lt sie auch viele Namen aus dem deutschsprachigen Raum.

 

Vor 25 Jahren sah das noch völlig anders aus. Das damalige Standardwerk ĂŒber Hundeerziehung stammte von einem deutschen Oberst namens Konrad Most. Dieser war davon ĂŒberzeugt, dass ein Mensch einen Hund nur dann kontrollieren könne, wenn der Hund von der körperlichen Überlegenheit dieses Menschen ĂŒberzeugt sei. Frauen hielt Oberst Most demzufolge fĂŒr völlig ungeeignet, einen Hund zu fĂŒhren, geschweige denn zu erziehen. Es sei ihm verziehen, schließlich stammt dieses Buch aus dem Jahr 1910 und es ist nicht in der Verantwortung des Autors, dass es so lange das Maß der Dinge war.

 

Neue Sprache dank der Frauen

Als logische Konsequenz hat sich auch das Wording verĂ€ndert: das Fachvokabular von Hundeleuten 2016 und das von Hundeleuten 1995  hat nicht mehr viel gemeinsam. Und als der Boom gewerblicher Hundeschulen begann, waren es zum Großteil Frauen, die sich diesem Beruf zuwandten und der Branche eine weibliche Note verliehen.

 

Die Henne oder das Ei

Nun kann man sich natĂŒrlich die Frage stellen, was zuerst da war: die neue Herangehensweise, die in der Folge die Frauen auf den Hundeplatz brachte oder die Frauen auf dem Hundeplatz, die auf der Suche nach neuen AnsĂ€tzen waren. Ich weiß es nicht, ich denke, dass das eine das andere begĂŒnstigt und befruchtet hat.

Tatsache ist, dass ein Großteil der Menschen, die eine Hundeschule besuchen oder einen Hundetrainer/eine Hundetrainerin engagieren inzwischen weiblich ist. Und natĂŒrlich mĂŒssen sich professionelle AnbieterInnen in der Hundebranche dieses Trends, der ungebrochen voranschreitet, bewusst sein. So haben sich völlig neue Formate und Angebote entwickelt, der Ansatz in den Hundeschulen ist wesentlich spielerischer als frĂŒher. KreativitĂ€t, gemeinsame Freude, SensibilitĂ€t und Freude an der Kommunikation bestimmen die Arbeitsweise.

 

 

 

Soft Skills fĂŒr Hundemenschen

Einige Soft SkillsNoch immer haben viele Menschen die Bilder im Kopf, die Konrad Most und Konsorten entworfen haben. Und gerade Frauen sind sehr oft der Kritik der Umwelt und sogar der eigenen Familie ausgesetzt, wenn sie diese Bilder durch moderne, friedvolle und teamorientierte ersetzen möchten. Viele Frauen befinden sich im Spannungsfeld zwischen dem, was sie selbst wahrnehmen und dem „da muss er durch!“ -Denken ihres Partners oder ihrer Kollegen. Und wie wir Frauen ebenso sind, möchten wir gerne allen und allem gerecht werden. Leider funktioniert das – wie wir wissen – nicht.

 

Intuition und Bauchhirn

Auf die eigene Intuition zu hören, das BauchgefĂŒhl als Bauchhirn wahrzunehmen und mit einzubeziehen, damit sind wir auch in der Hundeerziehung und vor allem im alltĂ€glichen Leben mit unseren Hunden gut beraten. Weibliche QualitĂ€ten – ĂŒber die auch MĂ€nner verfĂŒgen – wie FĂŒrsorglichkeit, AnpassungsfĂ€higkeit und KreativitĂ€t stehen nicht zwangslĂ€ufig in Konkurrenz mit den mĂ€nnlichen QualitĂ€ten wie Durchsetzungsvermögen, Tatkraft und StabilitĂ€t, die dem weiblichen Geschlecht ja ebenfalls zur VerfĂŒgung stehen.

Ganz im Gegenteil, das Zusammenspiel all dieser Elemente, der weiblichen QualitĂ€ten und der mĂ€nnlichen, ist meiner Meinung nach das Geheimnis – sowohl im Umgang mit unseren Hunden als auch fĂŒr das Leben an sich.

 

Ich wĂŒnsche Ihnen viel fröhliches Wedeln in Ihrem Leben und freue mich ĂŒber Kommentare und Anregungen.

Herzlichst
Eure und Ihre
Karin Immler

 

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