Der heutige Tag des Mischlingshundes ist ein guter Anlass, um wieder einmal darüber nachzudenken nach welchen Kriterien wir den Hund auswählen, der fortan unser Leben teilen soll. Wer ist der schönste Hund im Land? Die Liste an Anforderungen, die wir an unseren zukünftigen Gefährten stellen, kann ganz schön lang sein.

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der schönste Hund im Land?

Lieb soll er sein, verschmust, brav und folgsam natürlich. Und hermachen soll er was, aufs Haus aufpassen, Einbrecher abschrecken, nett zu unseren FreundInnen, sanft mit den Kindern sein, mit Mama joggen gehen und mit Papa zum Fischen. Temperamentvoll und sportlich soll er sein, aber auch zufrieden unterm Schreibtisch liegen, wenn nicht soviel Zeit ist. Die Liste lässt sich ziemlich lang fortsetzen. Doch bei genauerer Betrachtung ist in vielen Fällen einfach nur eines ausschlaggebend: weil sie (Hunde dieser Art, Rasse etc.) mir so gut gefallen.

Die Optik entscheidet – meistens!

Und die Mode! Ja wirklich, Hunde gehen mit der Mode, nicht freiwillig allerdings. Eher sind sie Opfer der Mode bzw. der modischen Strömungen.

„Die Schönheit der Dinge lebt in der Seele dessen, der sie betrachtet“ David Hume

Die Rassevielfalt, die wir heute vorfinden, ist nicht nur durch Zufall und vor allen Dingen auch nicht nur durch natürliche Selektion entstanden. Menschen haben hier sehr bewusst eingegriffen und aus durchaus eigennützigen Gründen. Die Hunde sind seit alters her geschätzte Assistenten oder sogar ausführende Organe für bestimmte Hobbys oder Berufe des Menschen. Und um diese Aufgaben entsprechend wahrzunehmen, waren (und sind) ganz bestimmte sind ganz bestimmte körperliche und charakterliche Voraussetzungen notwendig. So musste ein Hund besonders geländegängig sein (denken wir nur an die Hütehundschläge der schottischen Highlands), ein anderer musste ein ehrfurchtgebietendes Exterieur aufweisen, weil er potentielle Feinde abschrecken sollte. War es bei einem Typus erwünscht, dass die Hunde vernehmlich bellen – zum Beispiel, um das Wild aufzuscheuchen – so sollten andere mucksmäuschenstill ihre Arbeit verrichten. Auch das Fell entwickelte sich sozusagen parallel zu den Aufgabenstellungen. Besonders wasserabweisend, dafür geeignet, Wind und Wetter zu trotzen oder auch besonders dekorativ, ganz wie es dem Verwendungszweck entsprach.

 

Was sich hier zunächst einfach wie eine fröhlich bunte Vielfalt anhört, hat leider auch eine Schattenseite. Die menschliche Schönheitssinn geht nicht automatisch mit Vernunft einher. Das beliebte Kindchenschema hat vor allem bei der Zucht von Klein- und Kleinsthunden zu geradezu grotesken Auswüchsen geführt. Dass dabei Schädel und Kiefer bei manchen Exemplaren nahezu deformiert wurden und die gesundheitlichen Auswirkungen dieser Übertreibungen für die Hunde furchtbar sind, interessiert nur am Rande.

Auch bei den größeren Rassen gibt es seltsame und äußerst ungesunde Auswüchse. Meine erste Hündin war eine zierliche Bernersennenhündin, die bei guter Gesundheit 11 Jahre alt wurde. Zu jener Zeit war diese Rasse bei uns ziemlich unbekannt, es gab nur ganz wenige Züchter und die waren im Gebrauchshundebereich (Rettungshunde) aktiv, also an einer gesunden und arbeitsfähigen Rasse interessiert. Dank einiger Fernsehserien kam der Berner als leichtführiger, knuffiger und nicht zuletzt dekorativer Familienhund in Mode.

Was ich in den späteren Jahren an Bernern gesehen habe, lies mein Herz bluten. Aus Arbeitshunden mit kräftigem Gebäude wurden plüschige Teddybären mit schlechtem Gangwerk und starken gesundheitlichen Einschränkungen. Die Lebenserwartung der ehemals gesunden und leistungsfähigen Rasse ist drastisch gesunken.

 

Masse statt gesunder Rasse?

„Die Schönheit liegt nicht im Antlitz. Die Schönheit ist ein Licht im Herzen“ Khalil Gibran

Mit Schrecken erinnere ich mich an eine Tibet Dogge, die ich auf einer Ausstellung gesehen habe. Da ich zuvor einiges über diese Rasse gelesen hatte, besah ich mir mit Interesse die ausgestellten Hunde. In der Literatur wurde mehrfach darauf hingewiesen, wie beweglich diese großrahmigen Hunde waren, in ihrem Ursprungsland eine unabdingbare Voraussetzung. Der silbergraue Rüde, den ich dort zu sehen bekam, war eher eine Karikatur der Rasse: ein überdimensionales plüschiges Fellpaket mit einem riesigen etwas eingedrückt wirkendem Schädel. Der Hund war kaum in der Lage, seine Masse in Bewegung zu halten. Die wenigen Schritte, die ich ihn gehen sah, erweckten mehr den Eindruck eines schwankenden Seemanns als den eines wehrhaften Wächters in unwegsamem Gelände.

 

Hunde gehen mit der Mode

Immer weiter werden Rassen in einer Weise gezüchtet, dass die Hunde kaum Luft bekommen, ihre Welpen nicht mehr ohne Kaiserschnitt gebären können und sich ziemlich unelegant nach hinten plumpsen lassen müssen, weil vernünftiges Setzen nicht mehr möglich ist. Taubheit, Blindheit – alles wird in Kauf genommen, wenn die Fellfarbe stimmt. Von Wesens- und charakterlichen Defiziten ganz abgesehen.

Hauptsache, der Hund ist schön!

Da hat der Mensch die Natur ganz gehörig in die Suppe gespuckt

Die ZüchterInnen bedienen den Markt. Und den Markt bestimmen die KäuferInnen. Solange es einerseits Menschen gibt, die Hunde mit zweifelhaften Schönheitsmerkmalen kaufen und bereit sind dafür sehr viel Geld zu bezahlen, so lange wird es andererseits welche geben, die für Nachschub sorgen. In manchen Ländern gibt es Tierschutzgesetze, die versuchen, dem einen Riegel vorzuschieben (siehe der „Qualzuchtparagraph im Öst. Tierschutzgesetz), aber wer sich so einen Hund einbildet, holt ihn eben aus dem Ausland. Das Internet hat alle Barrieren dahingehend beseitigt, wir bekommen die Hunde von wo immer wir möchten. Ich entschuldige mich an der Stelle bei allen ZüchterInnen dieser Welt, die mit Wissen und Herzblut großes Augenmerk auf Charakter und Gesundheit ihrer Hunde legen. Gottseidank gibt es auch diese und bei etlichen Rassen werden die Bemühungen zur Wieder-Gesundung ernsthaft und aufrichtig betrieben.

Hund ist nicht gleich Hund

„Die ganze Mannigfaltigkeit, der ganze Reiz und die ganze Schönheit des Lebens setzen sich aus Licht und Schatten zusammen“ Leo Tolstoi

Zu wissen, welche Rasse oder welchem Rassetypus der eigene Hund angehört ist ein ganz wichtiger Vorteil, was den Alltag und die Erziehung des Hundes betrifft. Bei einem Rassehund kann ich mich damit bewusst auseinandersetzen, es gibt genügend Literatur offline und online. Bei einem Mischlingshund ist es manchmal nicht so ganz einfach. Die Optik alleine ist es nicht und, wenn es um einen Hund aus dem Tierschutz geht, dann wird das vielleicht eher ein Labrador als Vater vermuted als ein Ridgeback. Und aus einem Kangalmix wird flugs ein Hütehundmischling. Denn schließlich möchte man den Hund ja gut vermitteln.

Oft ist es so, dass wir im Zuge des Trainings  Eigenschaften am Hund entdecken und Verhaltensweisen, die einen Rückschluss auf eine bestimmte Rassegruppe beziehungsweise auf einen bestimmten Verwendungszweck der Vorfahren zulassen. Solche Erkenntnisse sind wichtig und erleichtern das Zusammenleben ganz ungemein. Rassetypische Verhaltensweisen können nicht wegerzogen werden, schon gar nicht in einem 14-Tage-Crashkurs. (Er-)Kennt man diese Verhaltensweisen aber, dann kann man sie in den Alltag integrieren und sich nutzbar machen. Außerdem erlaubt es wichtigere Rückschlüsse darauf, wie ein sinnvolles Training mit genau diesem Hund auszusehen hat. Mensch und Hund können lernen, sinnvoll mit dem vorhandenen Potential umzugehen. Und das ist eine enorme Erleichterung.

 

Und jetzt?

Vielleicht fragen Sie sich jetzt, was ich mit diesem Text bezwecke. Ich möchte Sie zum Nachdenken anregen und für mehr Sorgfalt bei der Auswahl des verbeinigen Hausgenossen plädieren. Viele meiner KundInnen kommen infolge von Problemen, die schlicht und einfach auf mangelnder Passung beruhen. Man stellt mir Hunde vor, die der Optik wegen ausgesucht wurden, vom Typus oder als Individuum aber überhaupt nicht zu ihren BesitzerInnen und deren Lebensweise passen. Hunde deren typische – und vorhersehbare – Verhaltensweisen im gegenwärtigen Lebensraum unangebracht und störend sind. Hunde, deren gesundheitliche Einschränkungen bereits in jungen Jahren für Kummer, Herzeleid und ein großes Loch in der Haushaltskasse sorgen. Oft genug lesen wir von Hunden, die „zurückgegeben“ oder irgendwie entsorgt werden, in anderen Fällen wird auch mit großem Engagement und unter Tränen ein passender Lebensplatz gesucht. Lauter vermeidbare Dramen!

 

Ein Hund ist nun einmal nicht aus Knetmasse, die wir nach unseren Wünschen formen und verbiegen können. Bei aller Anpassungsfähigkeit, die unsere bellenden Freunde auszeichnet, gibt es Grenzen, mit denen wir uns arrangieren müssen.

 

Herzlichst
Eure und Ihre
Karin Immler

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